Ein Fallbeispiel zur Berechnung von Zugewinnausgleich und Pflichtteil
Beim Tod eines Ehegatten wird der Zugewinn dadurch pauschal ausgeglichen, dass der dem überlebenden Ehegatten zustehende Erbteil um ein Viertel erhöht wird. Die Pflichtteilsquote bestimmt sich
aber nur dann nach dem erhöhten Erbteil, wenn der überlebende Ehegatte Erbe oder Vermächtnisnehmer wird, diese Zuwendungen aber niedriger sind, als es seinem Pflichtteil entspricht. Dieser
erhöhte Pflichtteil wird großer Pflichtteil genannt. Ist der überlebende Ehegatte enterbt und damit nach § 2303 BGB nur pflichtteilsberechtigt, so kann er gemäß § 1371 Abs. 2 BGB den
rechnerischen Ausgleich des Zugewinns und den kleinen Pflichtteil verlangen. Er hat in diesem Fall nicht etwa ein Wahlrecht zwischen Zugewinnausgleich und kleinem Pflichtteil einerseits sowie
großem Pflichtteil andererseits, sondern nur Anspruch auf Zugewinnausgleich und kleinen Pflichtteil, so der BGH. Ein Beispiel:
Der Fall: Der Ehemann stirbt und hinterlässt seine Frau und seinen Sohn. In der Ehe galt Zugewinngemeinschaft. Der Mann hat einen Golfclub zum Alleinerben eingesetzt, ohne seiner
Frau irgendetwas zuzuwenden. Der reine Nachlasswert beträgt 800.000 Euro. Der Mann hatte kein Anfangsvermögen. Seine Frau hat während der Ehe keinen Zugewinn erzielt.
Die Lösung: Gemäß § 1371 Abs. 2 BGB kann die Frau den konkret ermittelten Zugewinn und den sogenannten kleinen Pflichtteil verlangen. Zunächst ist der Zugewinn zu berechnen, weil
die Ausgleichsforderung bei der Wertbestimmung im Sinne des § 2311 BGB vom Nachlass abzuziehen ist. Der Zugewinn des Erblassers beläuft sich auf 800.000 Euro, denn er hat während der Ehe diesen
Betrag „dazugewonnen“. Da die Frau keinen Zugewinn erzielt hat, kann sie gemäß § 1378 Abs. 1 BGB die Hälfte des Zugewinns ihres verstorbenen Ehemannes als Ausgleich verlangen, das sind 400.000
Euro. Der Pflichtteil der Frau bestimmt sich nach dem nicht erhöhten Erbteil (§ 1931 Abs. 1 BGB). Da der Sohn als Erbe der ersten Ordnung (§ 1924 Abs. 1 BGB) zur (fiktiven) gesetzlichen Erbfolge
berufen wäre, beträgt der (fiktive) gesetzliche Erbteil der Frau ein Viertel, der Pflichtteil gemäß § 2303 BGB die Hälfte davon, also ein Achtel.
Die Berechnung für die Frau: Der Pflichtteilanspruch der Witwe errechnet sich wie folgt: Vom Nachlasswert (800.000 Euro) wird der Zugewinnausgleichsanspruch (400.000 Euro)
abgezogen. Übrig bleibt der Reinnachlass über 400.000 Euro. Ein Achtel davon sind 50.000 Euro. Die Frau kann somit Zugewinnausgleich und den kleinen Pflichtteil, also insgesamt 450.000 Euro,
verlangen.
Die Berechnung für den Sohn: Der Pflichtteil des Sohns bestimmt sich nach dem nicht erhöhten (fiktiven) Erbteil der Frau aus § 1931 Abs. 1 BGB. Der Pflichtteil des Sohns
errechnet sich wie folgt: Vom Erbteil (vier Viertel) wird der Pflichtteil der Frau (ein Viertel) abgezogen. Übrig bleiben drei Viertel. Die Hälfte davon sind drei Achtel. Die Erhöhung der
(fiktiven) Erbquote des Sohns und damit der Pflichtteilsquote ist folgerichtig, denn er muss bei seiner Berechnung die Zugewinnausgleichsforderung der Mutter als Nachlassverbindlichkeit gegen
sich gelten lassen. Aus diesem Grund ist die Erhöhung seiner Quote gerechtfertigt. Der Pflichtteil des Sohns errechnet sich somit wie folgt: Vom Nachlasswert (800.000 Euro) wird der
Zugewinnausgleichsanspruch (400.000 Euro) abgezogen. Übrig bleibt der Reinnachlass über 400.000 Euro. Davon drei Achtel sind 150.000 Euro. Nach Abzug aller Pflichtteile verbleiben dem Golfclub
somit immerhin noch 200.000 Euro.