Der Fall: Die Eheleute Müller streiten über nachehelichen Unterhalt. Herr Müller ist der Meinung, der Unterhaltsanspruch sei verwirkt, weil Frau Müller bereits seit drei Jahren eine eheähnliche Beziehung mit Herrn Meyer unterhalte. Dies bestreitet sie. Sie behauptet, es sei nur eine lockere Beziehung, eine gemeinsame Wohnung gebe es nicht und eine feste Partnerschaft lehne sie ab. Herr Meyer, als Zeuge geladen, bestätigt das. Herr Müller wird daher zur Zahlung des vollen Unterhalts verurteilt. Fakt ist, dass sich Frau Müller und Herr Meyer täglich sehen, zusammen in Urlaub fahren und auf Familienfeiern gemeinsam auftreten. Herr Meyer unterstützt Frau Müller sogar finanziell. Eine gemeinsame Wohnung beziehen sie nicht, damit Frau Müller ihren Anspruch nicht verliert.
§ 1579 Nr. 2 BGB lautet: „Ein Unterhaltsanspruch ist zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes grob unbillig wäre, weil der Berechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft lebt.“ Hier könnte sich Frau Müller wegen Prozessbetrugs nach § 263 StGB strafbar gemacht haben, weil sie vor Gericht die Verfestigung der Beziehung zu Herrn Meyer geleugnet und damit den Einwand der Verwirkung nach § 1579 Nr. 2 BGB bestritten hat.
Allein dass ein Unterhaltsberechtigter eine intime Beziehung zu einem neuen Partner unterhält, führt nicht zur Verwirkung. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen einer verfestigten Gemeinschaft kommt laut BGH in Betracht, wenn der Unterhaltsberechtigte von einer Eheschließung absieht, um den Anspruch nicht zu verlieren, oder wenn sich die neue Beziehung so verfestigt hat, dass sie als eheähnliches Zusammenleben anzusehen ist. Ob die Beziehung ausreichend verfestigt ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Es wird dabei auf das Erscheinungsbild der Beziehung in der Öffentlichkeit abgestellt; eine gemeinsame Haushaltsführung oder ein räumliches Zusammenleben ist nicht zwingend erforderlich. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe ist von einer verfestigten Gemeinschaft auszugehen, wenn der Unterhaltsberechtigte mit dem neuen Partner in der Öffentlichkeit, in Urlauben und in der Freizeitgestaltung als Paar auftritt und zudem Feiertage mit Familienangehörigen verbracht werden. Entscheidend ist, ob die Gemeinschaft von ihrer Intensität her einer Ehe entspricht, die Partner also ihre Lebensverhältnisse so aufeinander abgestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen. Laut BGH muss sich ein Ehegatte aus der ehelichen Solidarität herauslösen und zeigen, dass er diese nicht mehr benötigt.
Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Beziehung von Frau Müller zu Herrn Meyer derart verfestigt war, dass damit die Verwirkung des Unterhalts begründbar wäre. Da Frau Müller nicht nur falsche Angaben machte, sondern falsche Tatsachen in Bezug auf diese Beziehung behauptet hat, könnte sie sich dadurch eines Prozessbetruges schuldig gemacht haben. Hinsichtlich Herrn Meyer kommt noch eine Anstiftung zur Abgabe einer falschen uneidlichen Aussage gemäß §§ 153, 26 StGB in Betracht. Im vorliegenden Fall wäre es sinnvoll gewesen, wenn Herr Müller einen Detektiv beauftragt hätte, um herauszufinden, ob Frau Müller einen neuen Partner hat und ob und gegebenenfalls auf welche Art und Weise von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen ist.